Der Not- Brief

Ich muss gestehen, auch ich habe immer wieder meine ‚Umfaller‘ von Vorsätzen.
Das ‚gestehe‘ und ‚Umfaller‘ klingt für andere vielleicht nach Problem. Ich aber habe keines damit.
Im Gegenteil, langfristig spornen mich solche ‚Ausrutscher‘ immer wieder an, meinen Mustern, die mich dazu bringen auf die Schliche zu kommen.

Noch ein ‚Geständnis‘: Jahrelang hab ich eine ganz wunderbare Methode selber missachtet. Hab sie immer wieder Menschen angeraten und war enttäuscht, wenn sie sie nicht anwandten. Mittlerweile ist sie zu meinem Alltag geworden.
Die fast peinliche Einfachheit dieser Methode hat mich daran gehindert, diese Methode den Menschen genauer zu beschreiben. – Mir erschien es einfach zu blöd, so Einfaches so dezitiert zu erklären.
Doch genau das scheint der Grund für die vielen Nichtanwendungen gewesen zu sein.
Und nun lese ich beim rührigen Ralf Senftleben, dass auch er diese Selbstcoaching- Methode seinen Klienten rädt und relativ genau erklärt.

Also, das Prinzip: Wir alle haben – zumindest solange wir noch vergiftet und verschlackt sind – mal einen ’schlechten Tag‘. Wenn’s ganz schlimm um uns steht, hadern wir dann mit allem und jedem, sehen keinen Sinn im Leben, essen oder tun Dummes, da es ‚eh schon wurscht‘ ist, etc.
Kaum kommen wir aus diesem ‚Loch‘ heraus, ärgern wir uns oder sind fassungslos über soviel Dummheit.

Eine wunderbare Abhilfe schaffen Erinnerungszettel, die man bei klarem Verstand schreibt und für Notfälle bereithält.
Den Text kannst Du ganz nach Deinen Bedürfnissen logisch überzeugend oder emotional berührend gestalten.
In jedem Fall sollte betont werden, dass bei klarem Verstand und allem Abwägen das und das das Beste bzw. das Abweichen völliger Unsinn ist und nur zu anschließendem Ärger führt.
Ich klebe mir eher Zettel mit kurzen Erinnerungstexten irgendwohin. Die nette Idee von Ralf aber ist, es als Brief an sich selber zu gestalten.

Also, liebe Leute, solltet Ihr ähnliche Probleme haben, tut Euch unbedingt den Gefallen Euch solch einen Zettel oder Brief zu schreiben!
Es sieht so läppisch einfach, wenn nicht sogar unnötig aus, ist aber eine wirklich gute Methode wieder in seine Bewusstheit und Achtsamkeit zurückzukommen.
Darüber hinaus lernen wir viel über uns, wenn wir immer genauer an die Ursachen herankommen und das passiert ebenfalls mit solch Erinnerungstexten, die uns wieder ins Denken und ‚In-uns-sein‘ bringen.

Ralf Senftleben gibt ein Beispiel solch eines Briefes. Ich mag’s für mich und meine Klienten etwas kürzer und griffiger. Aber als ebenfalls gut praktikables Beispiel, möchte ich Euch die Lang- Version nicht vorenthalten:


Das ist eine Nachricht an mich selbst. Ich ………. (Dein Name) schreibe zu einer kraftvollen und guten Zeit, in der ich klar sehe und einen guten und realistischen Blick auf mich habe. Und ich schreibe für eine Zeit, die ich dann vielleicht gerade für einen kurzen Augenblick als schwierig erlebe. Eine Zeit, in der ich mich frustriert oder traurig fühle oder wo ich mich über mich selbst ärgere. Was natürlich vollkommen in Ordnung ist.

Ich lese mir das jetzt vor, weil ich einen Teil von mir gerade nicht leiden kann. Vielleicht habe ich etwas getan, was nicht so optimal war. Oder vielleicht bin ich gerade an etwas gescheitert. Oder vielleicht bin ich enttäuscht von mir selbst. Und ich fühle mich dementsprechend. Was natürlich wirklich absolut o. k. ist. Ich darf mich für einen Augenblick fühlen, wie ich mich fühle. Ich kann den Gefühlen erlauben, da zu sein. Alles ist richtig. Alles darf da sein.

Ich will mich aber auch nicht in den Gefühlen verlieren. Ich kann sie wahrnehmen. Ich kann sie sehen. Und ich kann vielleicht auch einen Schritt neben mich machen und mich selbst beobachten, wie ich die Gefühle fühle.

Während ich den Gefühlen erlaube, da zu sein, merke ich vielleicht auch ein klein wenig, wie sie ihre Kraft verlieren, denn wenn man aufhört zu kämpfen, dann geht es einem automatisch besser. Gerade wenn man einen Kampf kämpft, den man nicht gewinnen kann. Wenn man einen Kampf gegen sich selbst kämpft.

Ich kritisiere mich gerade selbst und es gibt dafür bestimmt gute Gründe. Etwas ist passiert und das werfe ich mir jetzt gerade vor. Das ist normal. Das geht vielen Menschen so.

Und wenn ich ehrlich bin, dann nützt das tatsächlich niemandem etwas, wenn ich mich selbst fertig mache. Ich mache dadurch nichts besser. Für niemanden. Es nützt den anderen da draußen nichts. Niemand hat etwas davon, wenn ich mich selbst beschimpfe und mich doof finde. Ich kann das machen. Es ist allein meine Sache. Ich darf das. Es geht niemanden etwas an. Aber es ist eben nur ein Spiel, das ich mit mir selbst und ausschließlich mit mir selbst spiele. Ein Kreisen um mich. Ohne Ergebnis. Ohne Resultate. Ich schaue nur auf das Schlechte und daraus entsteht selten etwas Gutes. Was absolut o. k. ist, wenn es das ist, was ich will. Ich kann ja tun, was ich will. Und ich sauge mir damit die Kraft aus meinen Knochen und vernichte meine eigene schöpferische Kraft. Ich mache mich damit kleiner. Ich zerst&oum l;re meine Handlungsfähigkeit, Hoffnung und meine Energie.

Mein innerer Kritiker ist natürlich kein schlechter Teil von mir. Er will mich ganz sicher nur beschützen. Vielleicht vor Enttäuschung. Vielleicht davor nicht ausgelacht zu werden. Oder vielleicht davor, nicht abzuheben und dann tief zu fallen. Mein innerer Kritiker hat gute Gründe für das, was er tut.

Aber er ist vielleicht auch ein bisschen wie ein Kind, das nur das Beste will und dabei genau das Gegenteil erreicht. Gut gemeint, aber nicht wirklich hilfreich.

Tatsächlich habe ich es schon oft erlebt, dass meine Meinung und meine Stimmung von ganz vielen Faktoren abhängen. Von meinem Seelenzustand, meinem Erschöpfungsgrad, meinem Energielevel, kürzlich geschehenen Ereignissen, von meinen Hormonen oder von meiner Körperchemie. Und ich habe erlebt, dass ich an einem anderen Tag ganz anders auf die gleiche Sache schauen kann.

Was mir an einem Tag vollkommen doof erschien, fand ich am nächsten Tag vollkommen o. k. Oder umgekehrt. Was ich heute kritisiere, finde ich vielleicht morgen schon ganz anders. Wer will es genau wissen.

Deswegen schreibe ich heute aus der Vergangenheit an mich selbst: ………. (Dein Name), sei bitte nicht so hart zu dir. Das hast du nicht verdient. Du bist o. k., wie du bist, auch wenn du ? wie jeder andere auch ? deine Ecken und Kanten, deine Schwächen und wunden Punkte hast. Wie jeder andere auch eben.

Und jetzt kannst du vielleicht mal einen tiefen Atemzug nehmen und dich selbst in Ruhe lassen. Lass deinen inneren Kritiker mal ein bisschen schlafen. Er kann ja morgen wieder etwas sagen. Für heute ist genug kritisiert.

Danke fürs Zuhören. Und alles Gute.

 

6 Responses to Der Not- Brief

  1. Inge Henneberg sagt:

    Der Mensch ist halt nicht vollkommen, daher sind hin und wieder „Ausrutscher“ auch normal, solange man sie auch als solche erkennt.
    Und weil z.B. bei mir gerade diese Ausrutscher noch lange als nicht so toll im Gedächtnis bleiben, werden sie zukünftig seltener vorkommen – bis sie dann irgendwann ganz wegbleiben.
    Wunderbar!!

  2. dreamcat sagt:

    oh ist das herzig! mei so eine schöne, wertschätzende idee! dankeschön!

  3. silketho sagt:

    Superidee! Hab meinen Rettungsbrief schon geschrieben! 🙂
    Danke!

  4. Axel sagt:

    Jetzt bin ich aber beruhigt – Auch Payoli hat seine Ausrutscher,dabei dachte ich immer Du bist vollkommen 🙂

    Ich ärgere mich immer, wenn ich manchmal ein wenig Ziegenkäse über meinen Salat lege, obwohl ich ja kein tierisches Eiweiß zu mir nehmen möchte

    Nun werde ich auch so einen Brief schreiben

  5. moka sagt:

    seht euch den film „vergissmichnicht“ mit sophie marceau an, besser kann man briefe an sich selbst nicht interpretieren. kleine zettelchen tuns natürlich auch!danke payoli!

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