‚Lass un eine Runde drehen über meiner Schöpfung‘.
‚Kein Interesse‘ sagt der Mensch. ‚Ich bin doch eine der Kronen Deiner Schöpfung. Wir sind zivilisiert, haben nahezu Unglaubliches erdacht und realisiert. Wir haben Möglichkeiten die zuvor niemand hatte. Und wir sind selber Götter, sagt der payoli immer. Also zisch alleine ab, Alter!‘
‚Oooooch schade‘ spielte Gott auf Mitleid. ‚Ich wär so gerne einmal in einer so großartigen Gesellschaft, würde mir so gern einmal Euren Zweig meiner Evolution zeigen lassen. Komm … Sei kein Spielverderber. Erklär mir das Leben!‘
‚Na gut, wenn man schon mal von einem Gott gebeten wird …‘ platzte dem Menschen fast die Brust vor Stolz.
‚Na hallo!‘ staunt der Mensch beim Hochfliegen. ‚Was hast Du denn da wieder getrickst? Das sieht ja völlig anders aus als unsere Landkarten, als aus unseren Flugzeugen!‘
‚Tja, für mich und jetzt uns beide da heroben gibt es weder Zeit noch Raum! Wir können sozusagen Zeit wie auch Raum ‚raffen‘ oder ’slow motion‘ wie Ihr es nennt.‘
‚Heeee! Geil! Was ist denn das da unten das sich da schlängelt und verzweigt wie der Zeitraffer eines Flusses der sich sein Bett sucht?‘ ist der Mensch fasziniert.
‚Da hast Du treffsicher zu allererst bemerkt, was auch mich immer wieder begeistert und … ich sags ganz ehrlich: Mir entglitten ist‘.
‚Na was jetzt? Bist Du Gott oder nicht?‘ stichelte der Mensch Richtung seines Schöpfers.
‚Ja, die Idee, der erste Impuls, die kamen natürlich von mir. Aber wie es sich weiterentwickelte unterhält, begeistert und überrascht selbst mich immer wieder. Das müsstest Du ja wissen. Ihr glaubt doch auch nicht mehr an das 7 Tages- Märchen in dem ich alles erschaffen haben sollte, sondern sprecht ja selber von Evolution‘ antwortete Gott.
‚Jetzt weiß ich aber noch immer nicht was sich da unten so bunt und bizarr verzweigt und immer weiter ausbreitet!‘ maulte der nun schon ungeduldige kleine Gott.
‚Das ist so ein typischer Entwicklungs- Ast einer Art die sich selber erschaffen hat und sich immer noch weiterentwickelt und immer wieder neu erschafft‘.
‚Ja und wohin wuchern all diese Äste?‘ war nun Mensch etwas verwirrt.
‚Das weiß auch ich nicht! Platz gibt es genug. Die können ewig so weitermachen und alle Formen und Erfahrungen machen die sie wollen …‘ grinste Gott sichtlich zufrieden über die Grenzenlosigkeit seines Werkes.
‚Ja aber es gibt doch noch mehr solcher Entwicklungen. Vermutlich unendlich viele! Die können doch nicht alle so wildwuchern! Dafür kann doch nun wirklich nicht genug Platz sein!‘
Da schüttelte es den Alten vor Lachen. ‚Ich hab schon gewusst warum ich Dich mitnehm! Sehr unterhaltsam Deine Kleinsicht!‘
‚Vielleicht klappts ja mit Deiner Göttlichkeit doch noch nicht so ganz‘ musste er verschmitzt noch einen draufsetzen. ‚Aber im Ernst! Um Platz musst Du Dir bei mir und auch bei Euch absolut keine Sorgen machen! Ich denke und arbeite in Unendlichkeiten!‘
‚Ja aber wenn sich nun zwei solcher Äste kreuzen, berühren sich nahekommen! Da krachts doch!‘ beharrte der Zivilisationsgeformte.
‚Ja, bei Euch krachts! Wenn Ihr einer dieser Zweige seid, dann gibts Kampf und Krieg! Ihr habt das Kämpfen, das Gegeneinander erfunden und perfektioniert! In meiner Schöpfung ist vor Euch immer alles harmonisch geflossen, da alle in der göttlichen Fülle und Unendlichkeit lebten. Erst Ihr habt die Mangel- Angst in die Welt gebracht.‘
‚Da! Da schau!‘ rief der Mensch aufgebracht. ‚Da hast Du so ein Beispiel, dass es nicht immer geht, dass nicht immer genug für alle da ist! Da ist doch statt eines vorwärtsstrebenden ‚Flusses‘ so eine Art Blase in der sich alle auf die Zehen steigen.‘
‚Ja, auch das gehört zu meiner Fülle. Jeder kann die Erfahrung machen, die er will und braucht.‘ gab sich Gott jovial.
‚Schau nur was da los ist!‘ konnte der Mensch sich gar nicht einkriegen. ‚Da pulsiert ja das Leben so richtig. Da ist was los! Das ist ja wie in unseren Vergnügungsvierteln!‘
‚Ja die Energiedichte ist hier hoch. Doch eher nicht aus Lust am Leben, aus Vergnügungsfreude, sondern die müssen!‘ nahm Gottes Gesicht einen Hauch von Bekümmertheit an.
‚Ah ja! Hat Deine Unendlichkeit also doch Grenzen. Sag bloß Du hast die in ihrer Sackgasse eingesperrt!?‘ starrte der Mitflieger Gott nun fassungslos aber gespannt an.
‚“Sackgasse“ war schon einmal gut und richtig. Eingesperrt stimmt auch. Aber nicht ich. Sie selber haben sich begrenzt und begrenzen sich immer noch‘
‚Ach papperlapapp!‘ spottete Mensch. ‚Wer begrenzt sich schon selber wenn er diese Weiten, die wir von hier heroben so schön sehen können, nutzen könnte!?‘
‚Du! Du und Deine Spießgesellen!‘ tippte Gott dem Menschen gegen die Brust. ‚Sieh genau hin! Ihr seid die, die da in dieser selbstgebauten Blase strampeln und hampeln und an Weite nicht mehr schaffen, als immer wieder mal eine kleine Ausbuchtung der Blase.‘
‚Bitte, wir strampeln und hampeln nicht! Wir entwickeln uns weiter!‘ opponierte die Schöpfungskrone, ‚Sozusagen ganz in Deinem Sinne!‘
‚Schon wieder diese, sich in alle Schöpfungsweiten schlängelnden ‚Flüsse‘ vergessen?‘ grinste Gott. ‚Ihr habt einmal eine ‚falsche Abzweigung‘ genommen und Euch in der Folge abgeschlossen von der Hauptstraße auf der noch immer das Gro des wirklichen, des lebendigen Lebens vorbeipulst um sich immer neue Seitengassen zu erschließen und zu bauen. Ihr habt Euch so sehr ‚verrannt‘, dass Ihr gar nicht mehr auf die Idee kommt, da wieder rauszugehen!‘.
‚Dann müssten da drinnen doch alle resignieren, wenn’s so wäre wie Du daherschwadronierst‘ beharrte der Mensch.
‚Ihr merkt es einfach nicht mehr in Eurer selbstgewählten Abgeschlossenheit! Warte! Wir zoomen uns näher. Da! Guck! Da sitzen sie in ihren Büros und fabrizieren Zeitungen und Schlagzeilen, die außerhalb dieser Gummi- Sackgasse niemanden interessieren würden! Da erfinden und bauen sie Geräte die man nur in dieser Blase brauchen kann, die nur dort scheinbaren Sinn machen‘.
‚Stopp! Stopp! Stopp! Was soll denn das nun wieder heißen!? Als hätten unsere Autos, Flugzeuge und Computertomographen keinen Sinn!‘
‚Hätten sie auch nicht, wenn nicht erst Ihr ihnen Sinn andichten würdet!‘ rutschte Gott etwas ins Belehrende, ‚Sieh doch, alle, alle gehen wohin sie wollen. Alle können alles sehen. Nur ihr arbeitet um des Arbeitens willen und stehlt Euch damit die Zeit Euer Leben zu genießen, meine Unendlichkeit zu durchwandern‘
‚Jetzt reichts aber! Von wegen ‚arbeiten um des Arbeitens willen‘! Was sollen wir essen wenn niemand arbeitet. Wer heilt die Kranken, wenn niemand arbeitet? Hm? Jetzt fehlen Dir die Worte, gell!‘ triumpfierte der kleine Gott.
Milde lächelnd nahm ihn der Alte um die Schultern: ‚Unendlich!‘ flüsterte er ihm liebevoll ins Ohr. ‚Unendlichkeit und Fülle! Das sind die Inkredienzien meiner Schöpfung! Siehst Du bei den Myrriarden von Wesen die sich rund um Euer Kleinterritorium tummeln irgendjemanden säen, ernten, pflügen, schuften? Es ist genug und vor allem für alle das genau Richtige da! Das wäre auch für Euch da! Aber ihr wollt es nicht. Ihr wollt es besser machen und habt deshalb jede Menge Arbeit die die anderen nicht haben.
Und mittlerweile habt Ihr förmlich eine Lawine losgetreten. Ihr habt mit Eurem Besserseinwollen so viele Fehler gemacht, so viele Katastrophen ausgelöst, dass diese Euch wiederum Arbeit bereiten. Sieh doch genau hin! Ihr arbeitet doch nur mehr um alte Fehler zu reparieren!‘
‚Und Du willst Gott sein!?‘ empörte sich der Mensch. ‚Du bist ein Kleinkrämer! Ja, ein kleiner neidischer Kleinkrämer, der uns nichtmal unsere Weiten die wir uns durch unsere Flugzeuge erarbeitet haben, gönnt. Der neidisch ist auf unsere medizinischen Erfolge, auf unsere Rationalisierungen, auf … Ach was! Ich will da raus!‘
Kaum gesagt – tja, neben einem Gott sollte man sich seine Worte doppelt gut überlegen – sah Gott seinen Mitflieger auch schon wieder in seinem Zivilisations- Gewurrle verschwinden. Im Abdrehen sah er in der hochlebendigen Zivilisationsblase noch die Warteschlangen vor den Check- In’s und die vollen Krankenhäuser. Dann war er schon mit einem übermütigen Looping zwischen all den freifliegenden Vögeln, überflog und staunte auch heute wieder über die Evolutionsweiten voller Wesen die nie erkrankten und dachte grinsend bei sich: ‚Das gefällt mir besonders gut! Dass sie alle, alle, auch die absurdesten Erfahrungen machen können …‘
Eine so schöne und genau den Punkt treffende Geschichte habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Vielen Dank und herzlichen Glückwunsch.
LG
Gerda
Sehr gut gelungen dieser Text. Auch das Bild: genial.
Payoli wieder mal in Hochform!
Danke für die schöne Geschichte!