Die Salami

11. Januar 2017

Vor langer, langer Zeit war, wie der Titel unserer Geschichte schon veraten hat, einmal eine Salami. Eine wunderbar würzige, harte, robuste Dauerwurst aus dem Fleische ganz entzückender aber ermordeter Tierchen.
Letzteres war den Herstellern dieser Spezialität im Salamiland aber herzlich egal. Sie erfreuten sich einfach über alle Maßen an ihrer wahrlich gelungenen Erfindung. Die Salami war dauerhart und nahezu unbegrenzt haltbar und wann immer man Hunger oder Gusto verspürte schnitten sich die Salamiker im Salamiland ein Stück runter und genossen es.
SalamiDiese wunderbare Errungenschaft blieb jedoch nicht lange dem Salamiland vorbehalten. Viele Reisende erbaten sich solch ein Prachtstück, teils als Wegzehrung, teils um den Daheimgebliebenen dieses Wunder der Fleischerkunst vorzuführen.
Eine dieser Hartwürste gelangte in eine Gesellschaft die für ihr Streben und ihre Fortschrittlichkeit bekannt war. Auch sie wollte sich diesem Mitbringsel nicht verschließen. Diese Schatz wurde von vielen Wissenschaftern untersucht, viele Werkzeuge und Techniklen wurden erfunden und an der Wurst erprobt. Irgendwann war ihre Schneide- Technologie soweit fortgeschritten, dass sie hauchstdünne Scheiben abzuschneiden vermochten. Einmal Blut geleckt wurde die ganze mittlerweile schon historische, aber immer noch im besten, genießbaren Zustand befindliche Wurst hauchfeinst salamisiert. Doch, oh weh! Die Wurstscheiben verdarben nun! Sie wurden schimmelig, trockneten aus, wurden unansehnlich, verloren an Geschmack …
Doch das alles war – vermeintlich – kein Problem. Zu viele Wissenschafter hatten sich schon mit dieser Materie befasst und zu sehr war man ob der Scheiben- Feinheit schon erstolzt. Baldige Abhilfe wurde von den Fachkräften erwartet.
Die Gelehrten forschten und experimentierten, versprachen Abhilfe und brauchten immer neue Forschungsmittel. Sie versuchten sich im Konservieren, Wieder- Zusammenfügen, Vakuumverpacken, sie testeten Anti- Schimmel- Mittel die sie aufsprühten, versuchten es mit Nachwürzungen und versprachen einen baldigen wissenschaftlich Durchbruch. Sie versuchten sich mittels hochkomplexer Mustererkennungs- Rechnern im Zusammenpuzzeln der Scheiben, andere wieder setzen auf das Ignorieren zusammenpassender Scheibachenmuster. Ein heilloses aber teures Gewirr an verschiedenen wissenschaftlich Ansätzen war entstanden. Und jede dieser Disziplinen brauchte Geld und versprach eine baldige Lösung.
Einem, der sich auf unerklärliche Weise seine ganze salamisierende Schulkarriere hindurch – die ganze Gesellschaft fokussierte mittlerweile in all ihrem Tun auf Details und Detailtreue … Einem also, der sich seine ganze salamisierende Schulkarriere hindurch seinen ganzheitlichen Einfach-, man könnte auch sagen Natur-, Blick bewahren konnte, fiel dieses absurde Situation auf. Er dachte: ‚Diese Salamiker in ihrem Salamiland gibt es doch noch immer. Die seh ich mir jetzt an, ob sie eine ähnlich fatale Entwicklung genommen haben wie wir oder ob sie sich noch an den alten Salamikünsten erfreuen‘. Gesagt, getan!
Und was fand er im fernen Salamien vor!? Tatsächlich immer noch die gute alte Salami! Er erlernte die höchst einfache Herstellung, kehrte über alles euphorisiert in seine durchakademisierte Heimat zurück und präsentierte stolz seine Lösung die alte salamisierte und dadurch verdorbene Salami, Müll sein zu lassen und sich neue Würste zuzubereiten.
Doch zu viele Gelehrte lebten schon recht gut von der Salamiforschung und die anderen konnten sich teils durch Medienverdummung, teils durch langfristig antrainiertes ‚Zu-kompliziert-Denken‘ nicht mehr vorstellen, dass eine so einfache Lösung, wie einfach eine Wursthaut zu füllen und luftzutrocknen, zielführend sein könnte. ‚Wenn das so einfach wäre, wären doch auch unsere Wissenschafter schon daraufgekommen‘ monierten sie. Andere wieder meinten: ‚Bitte wir hatten doch schon die höchste Kulturstufe der Feinstscheiben erklommen. Wir wollen doch nicht in die kulinarische Steinzeit zurück!‘.
Und es wurde weitergeforscht. Die Steuerzahler löhnten weiter. Die Medien berichteten weiter von immer neuen Erkenntnissen und versprachen baldige Ergebnisse und die Menschen waren mächtig stolz auf ihre geistige Elite.
Und unser Ganzheitler!?
Der fand sich mit der Borniert- und Verblendetheit seiner Gesellschaft ab, füllte sich seine Salamis weiterhin wie gelernt selber ab und genoss sie mit seinen vielen FreundInnen.
Er steht im freundschaftlichen Kontakt und Austausch mit den Salamiländlern und falls es ihm hier einmal zu dumm werden sollte und es in und mit seiner ‚Kultur‘ weiterhin so bergab gehen sollte, ist er bestens gewappnet bzw. angepasst um im Salamiland herzlich willkommen geheißen zu werden …

 

 
PS: Diese Parabel auf unseren Zivilisationswahnsinn ist meiner hier beschriebenen Aufgewühltheit entsprungen.

 
PPS: Kürzer lässt sich dieser unser Wahnsinn nur mit der alten Weisheit ‚Ein Experte ist jemand, der von immer weniger immer mehr weiß, bis er irgendwann von gar nichts mehr alles weiß‘ und der Tatsache, dass wir fast alle bereits Experten sind, beschreiben.