Vater unser

23. Dezember 2019

Was war das!?

Das war ja schrecklich!
Eine Folter!
Eine Qual!

Nein, ein Albtraum!
Ja, es war ein Albtraum!
Solange ich ihn noch ‚frisch‘ hab, schreib ich ihn Euch hier auf:

[mein Sohn betritt den Raum, fällt auf die Knie] ‚Vater mein, …‘

‚Wie bitte? Ich bin’s doch! Noch immer, Dein Papa!‘

‚…im Haushalt!‘, fährt er ernst und unbeirrt fort.
‚Gepriesen werde Dein Name.‘

‚Was redest Du denn da? Kind, hast Du Fieber? Hast Du was genommen?‘

‚Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie hier im Haus so überall.‘

‚Jetzt wird’s mir aber gleich zu bunt! Was ich will, setze ich schon durch, wo ich will und an Politik, geschweige denn Weltpolitik, hab ich Null Interesse! Und jetzt steh endlich auf und hör mit diesem Blödsinn auf!‘

‚Mein tägliches Brot gib mir heute.‘

‚Geh bitte! Du weißt doch, wo der Kühlschrank, wo die Brotdose, steht! Warum nimmst Du Dir nicht einfach, so wie immer?‘, war ich fassungslos.

‚Und vergib mir meine Schuld, wie auch ich vergebe meinen Schuldigern.‘

‚Schnulli, jetzt reicht’s aber! Du bist mein Kind, ich liebe Dich und seh nirgendwo Schuld. Du entwickelst Dich einfach und machst Erfahrungen. Das ist ganz normal und doch keine Schuld!‘, versuchte ich ihn an unser ‚altes‘, lockeres Leben zu erinnern. Doch, mit völlig unterwürfigem und bittenden Ausdruck plapperte er weiter:

‚Und führe mich nicht in Versuchung, sondern erlöse mich von dem Bösen.‘

Ich konnte nicht mehr! Laut prustend klatschte ich mir auf die Schenkel und stammelte: ‚Nein, ich werd nicht mehr … In Versuchung führen! … Ich führe Dich in Versuchung! …
Kinderl, Du läufst ständig in diverse Konsumtempel, um Dich von neuesten Games oder Süßigkeiten in Versuchung führen zu lassen! Nicht ich!
Und …‘, wieder kriegte ich mich vor Lachen nicht ein. ‚Und ich soll Dich vom Bösen erlösen!? Wo ist da irgendwo Böses, bitte!?‘
Nichts, absolut nichts, nützten meine Einwände! Er war völlig gehirngewaschen …

‚Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.‘, endete er.

Ich war aufgesprungen, um ihn in meiner Verzweiflung durchzuschütteln. Da setzte er nach:

‚Amen!‘

Ich wachte auf und stand schweißnaß im Bett …