Kleine Zuwendungen

28. Februar 2011

(Reisebericht Äthiopien)

Ich hab ja bereits in ‚Sex in Äthiopien’ die für mich etwas sehr distanzierten Umgangsformen der Geschlechter angesprochen.
Wie mir jetzt scheint – ganz sicher bin ich mir nicht, da ja mein etwas wortkarger Übersetzer ja auch eingeht in diese Betrachtung – fehlen hier überhaupt die vielen kleinen Zuwendungen und Aufmerksamkeiten, die bei uns bereits teilweise zu Automatismen verfestigt bis verkommen sind.
Ein ‚Guten Morgen’ oder ‚Gut geschlafen?’ sind für uns so selbstverständlich wie ‚Einen guten Appetit’, ‚Gute Nacht’ oder ein ‚Zum Wohl’, wenn jemand nießt.
Auch herzliche ‚Bitte’ oder ‚Danke’s sind zumindest für mich unverzichtbare und ständig gebrauchte Kommunikations- Formeln.
Hier wird maximal mit ‚Salaam’ begrüßt, wobei fallweise zum Händeschütteln die Schultern zueinander geführt werden, was für mich auch keiner herzlichen Geste, sondern eher einem ‚Schulter-drück-Bewerb’ gleicht.
Auch vermeiden die Äthiopier jegliche Verneinungen. Wenn jemand etwas gefragt wird, was er nicht weiß, tut er eher so als habe er nichts gehört als zu sagen ‚Tut mir leid, ich bin selber hier Kunde’ oder etwas ähnliches.

Was zu dem Thema noch gehört und eher umgekehrt abläuft ist der Weißen- Bonus, den man hier hat. Jeder ruft einem irgendetwas zu, winkt einem, will einem die Hand schütteln und die Kinder stürzen sich überhaupt scharenweise auf die ‚Ferencies’ …
Da frag ich mich schon, warum man das nicht mit allen Menschen macht. Jeder ist doch etwas Besonderes, jemand Einzigartiger.
So schön unsere vielen verbalen Zuwendungen sind so schön wäre es doch auch, jedermensch herzlich willkommen zu heißen, neugierig auf ihn zu sein, ihm das Gefühl, etwas Besonderes zu sein, zu geben …
– Oder ihn zumindest anzulachen und sich zu freuen, dass auch er da ist, sein Leben leben kann und uns das unsrige bereichern könnte …

Es kann natürlich sein, da die Äthiopier weitaus freier und angenommener aufwachsen als unsere Kinder, dass sie diese vielen kleinen Zuwendungen nicht brauchen und sich genügen bzw. kein so schlimmes Liebes- Defizit haben wie wir.
Schön wär’s!
Denn jede Hilfe, jedes Entgegenkommen sollte ja tatsächlich selbstverständlich sein und für sich stehen und nicht bedankt werden müssen. So ungefähr scheinen die Leute hier zu denken. ‚Krieg ich, ist’s gut, krieg ich nicht, probier ich’s anderswo oder nocheinmal’.
Sie scheinen mir also irgendwie eher im Hier und Jetzt zu sein. – Obwohl sie es im Unrechtsfall schon auch heftig können …
Andererseits gilt hier genauso wie m.E. überall, dass einfach eine gewisse Herzlich- und Dankbarkeit immer gut ankommt und des anderen Herz öffnet.

 


Trauuuumhaft!

9. Februar 2011

(Reisebericht Äthiopien)

Heute ‘durfte’ ich erstmals alleine weggehen. Allerdings mit genauer Routen- Vorschrift, da es angeblich so abgelegene Gassen gibt, in denen Weiße, die ja von den Äthiopiern alle für Millionäre gehalten werden, überfallen werden.
Die Hauptstraße, die ich ging war DAS Erlebnis schlechthin. Die Kinder fahren sowieso völlig auf Weiße ab, aber auch kaum ein Erwachsener schafft es nicht zu lachen oder die Augen aus dem Kopf fallen zu lassen.
Viele sprachen mich auch an, waren sehr nett und herzlich. Dann aber wieder sieht man Dinge die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Da werfen Kinder mit Steinen nach festgebundenen Pferden, treten Passanten just for fun nach Hunden und Ziegen oder dreschen Kutschenfahrer wie verrückt auf ihre Pferdeskelette ein.
Man trifft aber auch alte Leute die einem die Hand nehmen und an ihr Herz drücken oder Kinder die einen ganz verstohlen anstupsen oder die Hand geben wollen.
Die ‚Money, money’- rufenden Kinder und Bettler gibt es natürlich auch.
Aber im Großen und Ganzen komm ich aus dem Staunen nicht heraus WIE kontrolliert und konditioniert wir gegen diese noch sehr offenen und rührend kindlichen Menschen sind.
Ich seh auch ihr häufiges ‚Haben-wollen’, ihre ‚Weißen- Preisaufschläge’ oder Klau- Versuche nicht als bös gemeint. Sie sind einfach ‚reine Kinder’ die eben haben wollen, was ein anderer vermeintlich ohnehin im Überfluss hat.
Mir kann man auch kaum etwas klauen da ich weder mit Kamera, noch mit Handy oder sonstigem West- Kram aufgewertet bin.
Ich muss mich nur bei meinen blog- Besuchern für die schlechte Qualität der Fotos entschuldigen; das ist eben Äthiopien- level 😉