Alle, deren Alarmglocken jetzt beim Wort ‚beten‘ schrillten, weil sie es mit Wortgebeten, Kirchen, Religionen assoziieren, kann ich beruhigen bzw. darf ich zum Weiterlesen ermuntern.
Vielleicht kennt der Eine oder die Andere von Euch das ebenfalls: Mir fallen jetzt im Alter häufig Gedanken ein, die ich als Kind schon hatte, durch den Einfluss des Umfeldes aber nicht glauben konnte, dass das wahr sein könnte. Im Gegenteil, ich war jeweils sehr erstaunt, dass die ‚anderen‘, die ‚richtigen‘ Erklärung um soviel unlogischer, komplizierter und irgendwie ‚fremd‘ anmuteten.
Eines dieser vielen Beispiele betrifft das Beten. Ich dachte schon als Kind: ‚Was bitte soll das für ein Gott sein, der dieses millionenfach, gedankenlose Herunterleiern von auswendig gelernten Worten, braucht, will oder schätzt‘.
Auf der anderen Seite erinnere ich mich noch gut an meine – jetzt wird’s schwierig, das mit Worten zu erklären – damaligen ‚wortlosen Gedanken‘, an meine selbstverständlichen und absolut nicht irrealen Fantasien, an meine Gefühle, meine zahllosen bewundernden Neugierden, meine wortlose Beobachtungs- und Bewunderungs- Lust.
Später dann war ich oft sehr enttäuscht, dass mir die Gedankenlosigkeit des Meditierens, so schwer fiel.
Jetzt erst kann ich völlig entspannt und klar sehen, dass ich damals als Kind schon absolut richtig lag, jedoch fast ‚gewaltsam‘ in die Wortwelt gezerrt und gedrängt wurde, die natürlich alles Gefühlte, Intuitive, Instinktive, Bildhafte, Hörwelten … aus mir rausdrängten. Als solch Verbogener muss Meditieren natürlich mühsam bis unmöglich sein!
Detto das Beten! Wenn ich durch Garten oder Wiesen streife um meinen Mixbecher mit Grünem zu füllen, bete ich unentwegt! Ein Beten aber, dass kein Pfarrer als solches erkennen, geschweige denn akzeptieren würde. Es ist ein buntes Konglomerat von Offensein, Staunen, Freuen, Bewundern, Dankbarsein … Ich sehe das Große im Kleinsten, die Funktionen in den (scheinbaren) Nichtfunktionen, ich höre was kaum jemand hört, ohne zu ’spinnen‘ …
Ihr werdet und könnt ja alle gern weiterhin Euren vermutlich ganz andersgearteten Gedanken- und Gefühlsstrukturen nachgehen und beten oder nicht beten ganz wie ihr wollt. Alles ganz wunderbar, wie das Leben selber.
Ich wollte nur einmal ein klein wenig dargestellt haben, wie’s in mir aussieht und vielleicht auch verdeutlichen, was ich meine, wenn ich hier so oft von der Zerstörung von Kinderleben durch Erziehung und Beschulung schreibe.
In diesem Sinne, lasst uns freuen über die Buntheit des Lebens und
PS: Mit diesem Kurztext wollte ich natürlich keineswegs diese wunderbare Wortwelt der Dichter und Denker, der vielen wunderbaren Bücher, diese unglaublichen Fortschritte durch die mit Worten um soviel einfachere Erklärbarkeit und Weitergabemöglichkeit schmälern. Alles ganz, ganz wunderbar! Nur sollten wir Worte ähnlich einem Werkzeug, das man nur bei Bedarf zur Hand nimmt, nutzen, denke ich. Das ‚wirkliche‘ Leben funktioniert nämlich wortlos weitaus besser. Leben mit wortprall gefüllten Köpfen ist ständig beurteilendes Hirngewixe oder wie die Buddhisten sagen ‚ein Baum voller verrückter Affen‘.
Für mich ein tragisches Beispiel von Wortgebrauch, ja förmlich Wortsucht, sind die ärztlichen Diagnosen. Wie Junkies erbetteln die Patienten förmlich nur irgendein Wort vom hochgeschätzten Doc, auch wenn es noch so unverständlich, hohl oder falsch ist! – Und bilden – so gut wurden wir auf Wortgläubigkeit konditioniert! – sogar oft falsche Diagnosen zu tatsächlichen Krankheiten aus!
Da lob ich mir die gnädige Wortlosigkeit eines Rehes oder Dachses, die im Krankheits- oder Verletzungsfall weder etwas von Diagnosen, noch Prognosen wissen, auch keine Schmerz- oder Todesängste leiden, sondern sich einfach zurückziehen und geheilt, oder ‚hinübergeschlafen‘ nie, wieder heraustreten …